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Ulmer Oberbürgermeister

Martin Ansbacher ist Mitte 40 und trägt Brille, Anzug und gepflegten Drei-Tage-Bart.

© Martin Ansbacher

Oberbürgermeister Martin Ansbacher ist der zwölfte demokratisch gewählte Oberbürgermeister Ulms. Am 29. Februar 2024 wurde er als Stadtoberhaupt verpflichtet. Er ist das vorerst letzte Glied einer Kette, die 1819 mit Christoph Leonhard Wolbach begann. Wichtige Weichenstellungen waren Resultat der Gestaltungskraft und der politischen Grundüberzeugungen dieser Männer. Um einen genaueren Einblick in das Wirken der Ulmer Oberbürgermeister zu ermöglichen, stellen wir sie in Kurzbiographien vor.

Das Amt des Oberbürgermeisters war für die Ulmer schon immer von großer Wichtigkeit. Natürlich war auch das Amt selbst, eingeführt vom württembergischen König Friedrich I. im Jahre 1819, ständigen Veränderungen unterworfen. Machtfülle, Kompetenzen und Handlungsspielräume wurden durch politische Konstellationen auf nationaler Ebene und durch gravierende Einschnitte wie Kriege und deren politische Nachwirkungen beeinflusst. Eines hatten aber alle demokratisch legitimierten Oberbürgermeister gemeinsam: Das Wertefundament des Großen Schwörbriefs von 1397, der reichsstädtischen Ulmer Stadtverfassung, mit dem Schwur: "Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein, in den gleichen, gemeinsamen und redlichen Dingen, ohne allen Vorbehalt."

Der vom König verliehene Ehrentitel "Oberbürgermeister" wurde 1819 für die Stadtvorstände der sieben größten Städte Württembergs – unter ihnen Ulm – geschaffen. Gewählt wurde das Stadtoberhaupt zu jener Zeit übrigens nur von den männlichen Inhabern des Bürgerrechts. Frauen blieben bis 1919 grundsätzlich von politischen Wahlen ausgeschlossen. Das Selbstbestimmungsrecht der Städte wurde allerdings durch das Bestätigungsrecht des Königs eingeschränkt. Die Bürgerschaft bestimmte drei Kandidaten, aus denen die Regierung – und im Falle der größten Städte des Landes der König selbst – den ihr am geeignetsten erscheinenden Bewerber auswählte. Entfielen jedoch auf einen Bewerber mehr als zwei Drittel der Stimmen, war die Regierung gezwungen, diesen auch zu bestätigen.

Die Wahl zum Schultheißen bedeutete übrigens im 19. Jahrhundert eine Anstellung auf Lebenszeit. Da die Gemeinderäte in jener Zeit durch ein relativ freies Wahlrecht bestellt wurden, empfahl es sich in den Augen der Obrigkeit, dem Schultheißen durch eine unbegrenzte Amtszeit eine starke Position in der Gemeinde zu sichern. Als sich der Gemeinderat nach der Revolution 1848/49 periodisch Neuwahlen zu stellen hatte, der Schultheiß aber weiterhin lebenslänglich im Amt verblieb, wurde damit die Position des Oberbürgermeisters de facto noch gestärkt. Dessen Amtszeit wurde erst 1906 im Zuge einer Verfassungsänderung befristet, und damit das Kräfteverhältnis zwischen Gemeinderat und Oberbürgermeister neuerlich verschoben.

Portraitbild von Christoph Wolbach

Bereits bei der ersten Wahl ihres Stadtschultheißen - der Oberbürgermeistertitel wurde ihm erst später verliehen- zeigten sich die Ulmer Bürger wenig beeindruckt von großen Namen. Es darf als Überraschung gelten, dass sich der Rechtskonsulent (Rechtsanwalt) Wolbach gegen den aus dem Ulmer Patriziat stammenden, einst von König Friedrich als "Bürgermeister" eingesetzten Christoph von Wölkern durchsetzen konnte. Der gebürtige Ulmer Wolbach war bereits 1817 zum Obmann des Bürgerausschusses gewählt worden und besaß dadurch durchaus eine Art demokratischer Legitimation und Volksnähe. Zum Ulmer "Establishment" gehörte er als Sohn eines Schreibers in jener Zeit allerdings nicht, vom Stadtadel ganz zu schweigen.

Große Infrastrukturmaßnahmen oder gar visionäre Städteplanung gab es zu Wolbachs Zeiten nicht. In seine Amtszeit fielen das Ende der die Stadt einschnürenden Zollschranken auf der Donaubrücke, die Grundsteinlegung für die Bundesfestung, der Abbruch der Stadttore und der Bau der neuen Herdbrücke. Nach 25 Jahren Amtszeit trat Wolbach 1844 freiwillig - angeblich aus persönlicher Verärgerung - zurück. Danach lebte er bis zu seinem Tod 1872 noch fast 30 Jahre in Ulm, in denen er wie schon zu seiner Amtszeit publizistisch tätig war.

Julius Schuster

Julius Schuster führte den ersten Wahlkampf moderner Prägung. Auch in Ulm war der Einfluss der sich landesweit entwickelnden liberalen Bewegung zu spüren. Die vom bürgerlichen Mittelstand unterstützte Kandidatur des Liberalen Philipp Ludwig Adam fand bereits im Vorfeld der Wahl keine breite Unterstützung – sicherlich verschuldet durch Adam selbst, der nur unter der Bedingung einer einmaligen sechsjährigen Amtszeit das Amt des Schultheiß übernehmen wollte. Julius Schuster indes warb mit seiner Wahlkampfbroschüre „Den Bürgern Ulms“ um die Gunst der Ulmer Bürgerschaft. Und trotz der zunächst recht ungünstig erscheinenden Aussichten wurde der erst 28-jährige mit überwältigender Mehrheit gewählt. Und das bei einer Wahlbeteiligung von 99 Prozent!

Die erste Phase seiner Amtszeit wurde durch die Vorboten der 1848er Revolution (Plünderung der Langmühle 1847) und die revolutionären Ereignisse selbst bestimmt. Seine aktive und kompetente Rolle trug ihm zunächst bei der Ulmer Bevölkerung hohes Ansehen ein, das er jedoch gegen Ende seines Lebens durch seinen mitunter aufbrausenden Charakter offenbar wieder einbüßte. Vor allem sein Eintreten für ein Konkordat mit dem Papst nahm ihm die evangelische Oberschicht der Stadt übel.

Unter Julius Schuster wurde die Wasserversorgung der Stadt verbessert und erstmals die Errichtung eines Gaswerks diskutiert. Sein größter Verdienst war aber wohl der Anschluss Ulms an das württembergische Eisenbahnnetz im Jahre 1850, das der Stadt ökonomisch hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten bot.

Karl Heim

Nach der Kampfkandidatur und dem gescheiterten Konsens im Jahre 1845 gelang es Ulms Honoratioren unter der Führung von C.D. Magirus nach Schusters Tod, sich vor der Wahl auf einen Kandidaten zu einigen. Oberjustizrat Karl Heim wurde ohne ernstzunehmende Gegenkandidaten mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Der Wunsch, der Obrigkeit jeglichen Einfluss zu beschneiden, mag wohl ein bestimmendes Motiv gewesen sein. Und doch lässt sich vermuten, dass auch ein generell feststellbares Bedürfnis des Bürgertums der Reaktionsjahre nach 1848/49 nach Konsens und Harmonie ein wesentlicher Faktor bei Heims Kandidatur und Wahl gewesen sein dürfte.

Mit dem neuen Stadtvorstand zog ein neues Selbstverständnis ins Ulmer Rathaus ein. Heim, fest in der Zeit der Romantik verankert, wurde zur alles beherrschenden Figur der Kommunalpolitik. Anders als seine Vorgänger „regierte“ er die Stadt mit dem Anspruch aktiven Gestaltungswillens. Infrastrukturmaßnahmen und die Verbesserung der Lebensbedingungen standen im Mittelpunkt seines Wirkens. Die Fertigstellung des Münsterausbaus ist sicherlich die plakativste Leistung Heims – für die Bürger erwiesen sich Verbesserungen der hygienischen Verhältnisse, der Kanalisation und der Trinkwasserversorgung als wesentlich bedeutsamer. Heim verstand sich als "Lokal-Monarch", und trotz seiner vierjährigen Mitgliedschaft im Berliner Reichstag (1877-1881) war sein politischer Einfluss außerhalb der Region eher gering.

Zahlreiche Orden, vor allem der Kronorden und die damit verbundene Erhebung Karl Heims in den persönlichen Adelsstand, dokumentieren die gewachsene Bedeutung des Ulmer Bürgermeisteramts nach 1850.

Heinrich Wagner

Heinrich Wagner war wohl in mehrerlei Hinsicht der bedeutendste Ulmer Oberbürgermeister des 19. Jahrhunderts. Zugegebenermaßen hatte er durch die fortschreitende Industrialisierung auch die vielversprechendsten Rahmenbedingungen. Aber seine visionäre Kraft, die sich in seiner expansiven Bodenpolitik und seiner erstmals im Deutschen Reich auftauchenden Idee des sozialen Wohnungsbaus mit Arbeitereigenheimen manifestierte, hatte keiner seiner Vorgänger. Die Niederlegung der Festungswälle verschaffte Ulm erst den Raum, den Wagner dann konsequent zur Stadterweiterung und zum Ausbau des Straßennetzes nutzte.

Wagners Grundidee war die Verantwortlichkeit der Gemeinde für die wachsende Arbeiterschaft. Er wollte die Arbeiterwohnungsfürsorge nicht allein privater und genossenschaftlicher Initiative überlassen. Für seine bahnbrechenden sozialpolitischen Ansätze wurden ihm von der Universität Tübingen und der Universität Rostock Ehrendoktorwürden verliehen. Alle Projekte Wagners aufzuführen, würde wohl diesen Rahmen sprengen, aber die Anlegung der Weststadt, die Einführung der Straßenbahn, diverse Schulhausbauten und die neue Donaubrücke haben ihre Spuren bis in die heutige Zeit hinein hinterlassen. Die Verbindungsstraße zwischen Ulm und dem 1905 eingemeindeten Söflingen trägt bis heute seinen Namen. 1919 wurde er nach mehreren vergeblichen Bitten schließlich aus dem Amt entlassen. Eine gewisse Amtsmüdigkeit, die Umwälzungen der Nachkriegszeit und die Einführung der Republik veranlassten den kaisertreuen und mit persönlichem Adel versehenen Wagner letztlich zum Rücktritt.

Emil Schwamberger

Erlebte Heinrich Wagner eine Zeit der Gestaltungsmöglichkeiten und des Fortschritts, gestaltete sich die Gesamtlage für Emil Schwamberger bei Amtsantritt bedeutend schwieriger. Der Weltkrieg war zu Ende, das Wirtschaftsleben der Stadt erschüttert und die seit der Jahrhundertwende in Gang gekommene Entwicklung jäh unterbrochen. Der Wegfall der großen Garnison, ohne über eine starke Industrie als Ausgleich zu verfügen sowie der Nachkriegsschwarzmarkt erforderten ein konsequentes, mit starker Hand agierendes Stadtoberhaupt. Emil Schwamberger entsprach diesem Anforderungsprofil. Zwei neue Kraftwerke nebst Stauseen und das Stadion sind die infrastrukturell prägnantesten Merkmale seines Schaffens. Mitte März 1933 wurde der von der Ulmer Bürgerschaft hoch geschätzte Schwamberger im Zuge der NS-Gleichschaltung seines Amtes enthoben, durch NSDAP-Mitglied Friedrich Förster ersetzt, im Mai endgültig entlassen und der Stadt verwiesen. Und dies, obwohl die finanzielle Lage Ulms verglichen mit anderen Städten gleicher Größe hervorragend war. Friedrich Foerster war damit der erste Amtsinhaber ohne bürgerschaftliche Legitimation. Deshalb gehen wir an dieser Stelle nicht auf Inhalte seiner Arbeit ein.

Nach dem Zusammenbruch von 1945 bot man dem mittlerweile zum Ehrenbürger ernannten Schwamberger die Rückkehr in sein Amt an. Er hatte aber bereits anderweitige Aufgaben im württembergischen Innenministerium übernommen. Drei Jahre vor seinem Tod im Jahre 1955 erhielt Dr. Emil Schwamberger von Bundespräsident Theodor Heuss das Bundesverdienstkreuz.

Robert Scholl

Die am 24.4.1945 einmarschierten US-Amerikaner ernannten nach Foersters Flucht aus der Stadt zunächst Polizeirat Herrmann Frank und dann den Vorstand der Wieland-Werke, Karl Eychmüller, zu kommissarischen Oberbürgermeistern, ehe sie am 9.6.1945 Robert Scholl das Amt übertrugen. In der ersten demokratischen Oberbürgermeisterwahl nach dem Krieg, die einzig dem Gemeinderat oblag, entschied letztlich das Los für Robert Scholl, da zwei Wahlgänge keine Mehrheit für ihn oder seinen Mitbewerber Wilhelm Schöneck ergeben hatten.
Scholl, Vater der 1943 als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus ermordeten Geschwister Hans und Sophie, übernahm das Oberbürgermeisteramt zur Stunde Null. Die Innenstadt war zu drei Viertel zerstört und Verwaltung und Versorgung der Stadt zusammengebrochen.

Bei sachlichen Auseinandersetzungen mit der Besatzungsmacht kam Robert Scholl sein Ansehen als Vater der jugendlichen Opfer des Dritten Reiches und seine unzweifelhafte demokratische Integrität zu gute.

Die Nachkriegszeiten, „Zeiten glorreicher Unsicherheiten“ wie er sie selbst nannte, verlangten nach pragmatischen, unideologischen Lösungen. Robert Scholl handelte überparteilich, einzig dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet und übergab seinem Nachfolger Theodor Pfizer – diesem war er bei der Wahl 1948 unterlegen – eine Stadt, die wieder über eine grundlegende Infrastruktur verfügte. Die Straßen waren von Trümmern geräumt, die Versorgung einigermaßen intakt und das Gemeinwesen wieder lebensfähig.

Theodor Pfizer

Als Theodor Pfizer sein Amt antrat, waren die Aufräumarbeiten weitgehend abgeschlossen. Der eigentliche Aufbau indes eröffnete dem neuen Oberbürgermeister ein weites Feld gestalterischer Möglichkeiten. Natürlich standen Wohnungsbau und Wiederherstellung der Infrastruktur im Vordergrund, doch das äußere Erscheinungsbild der Stadt war Pfizer als Leitbild nicht genug. Ulm sollte kein Replikat der Vorzeit, sondern eine moderne, weltoffene und tolerante Stadt werden. Dass der Bildungsbürger Pfizer dabei besonderen Wert auf die kulturelle Entwicklung der Stadt legte, wurde durch den Theater-Neubau, die Volkshochschule oder auch durch die zur damaligen Zeit international renommierte Hochschule für Gestaltung eindrucksvoll unterstrichen. Seinem zähen Ringen gegen alle anfänglichen Widerstände hat Ulm seinen heutigen Status als Universitätsstadt zu verdanken. Er legte den Grundstein des Ulmer Selbstverständnisses, eine Stadt der Bildung, der Innovation und Forschung zu sein. Ein Nährboden, der erst die Chancen eröffnete, die es heute in einer veränderten Welt zu nutzen gilt.

Lebendige Demokratie mit einer aktiven Bürgerschaft waren Inhalte Pfizers Philosophie. Und erstmals der Ansatz, dass Verwaltung sich als Dienstleistungsbetrieb für die Bürger zu verstehen habe. Theodor Pfizer hatte vielleicht die vielfältigsten Gestaltungsmöglichkeiten aller Ulmer Oberbürgermeister. Rückblickend betrachtet steht fest: Er hat sie beherzt und vorausschauend genutzt.

Hans Lorenser

Die Wahl Lorensers zum Nachfolger Theodor Pfizers war kein Neuanfang, eher eine Staffelübergabe. Bereits seit 1954 war der gebürtige Ludwigsburger in verschiedenen Tätigkeiten, zuletzt als Erster Bürgermeister, in die Ulmer Kommunalverwaltung eingebunden. In den Zielen und politischen Überzeugungen Pfizer sehr ähnlich, zeigten sich im Verständnis des Amtes jedoch klare Unterschiede. Lorensers Volksnähe brachten ihm große Sympathien „seiner“ Ulmer ein. Unkompliziert und klar in den Zielen, aber auch stets mit dem offenen Ohr für die Sorgen und Anregungen der Bürgerschaft.
Lorenser setzte den eingeschlagenen Weg, Ulm als Zentrum für Bildung und Forschung zu etablieren, fort. Der Bau der Universität, des Rehabilitations-Krankenhauses, aber auch vieler Schulen fiel in seine Amtszeit.

Zum Ende der zweiten Wahlperiode – Lorenser wurde 1980 mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt – hatte er mit den wirtschaftlichen Veränderungen zu kämpfen, die gerade Ulm als Industriestandort schwer trafen. Firmeninsolvenzen und ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit im Zuge des wirtschaftlichen Wandels trafen Ulm und den Oberbürgermeister in einer Zeit, in der die wichtigen Veränderungen in Richtung Zukunft zwar schon auf den Weg gebracht waren, aber wirtschaftlich noch keine positiven Wirkungen zeigten.

Der hohen Popularität Lorensers taten diese Strukturprobleme allerdings keinen Abbruch. Bis zu seinem Tod im Jahre 1989 blieb er seiner zweiten Heimat treu.

Ernst Ludwig

Nach dem „Volkstribun“ Lorenser übernahm 1984 mit Ernst Ludwig ein Mann das Oberbürgermeisteramt, dem schnell der Stempel des Machers, des Managers der Stadt verpasst wurde. Dieser war in Zeiten des Strukturwandels zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ludwig überraschte und forderte die Ulmer Bürgerschaft mit einem millionenschweren Stadtqualitätsprogramm. Klotzen statt Kleckern lautete die Devise, und bis zum Ende seiner Amtszeit musste er immer wieder Zweifler überzeugen und zum Teil starke Widerstände überwinden. Der Bau des Congress-Centrums, des Stadthauses auf dem Münsterplatz und die Grundsteinlegung für die Wissenschaftsstadt wurden unter der Ägide des früheren Staatssekretärs im baden-württembergischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium geplant und umgesetzt. Einzig bei der Untertunnelung der Neuen Straße verweigerte ihm die Ulmer Bürgerschaft per Volksentscheid die Gefolgschaft – seine schwerste politische Niederlage. Das Bild der Stadt hat sich in seiner Amtszeit fürwahr verändert. Am Ende war das Qualitätsprogramm aber nicht nur ein optischer Gewinn – vielmehr machte es den Standort Ulm für Investitionen attraktiver.

Ivo Gönner

Im ersten Anlauf 1984 war der damals 32-jährige SPD-Politiker seinem Mitbewerber Ernst Ludwig noch unterlegen. Acht Jahre später jedoch setzte er sich für viele überraschend bereits im ersten Wahlgang klar gegen Dr. Karl Friedrich Kirchner (CDU) durch. Ulm hatte seinen ersten SPD-Oberbürgermeister. Für Ivo Gönner jedoch, das zeigte sich schnell, stand Parteipolitik immer an zweiter Stelle.

Leicht war der Einstieg nicht. Finanziell hatte sich Ulm mit dem Stadtqualitätsprogramm belastet, dann kamen Probleme mit der Müllbeseitigung und die Krise des Busherstellers Kässbohrer hinzu. Nach dem Boom im Zuge der deutschen Wiedervereinigung bekam auch Ulm den Konjunkturknick der Folgejahre zu spüren. Doch dank des rigorosen Sparkurses gelang es Gönner, die städtischen Investitionen auch während der Krise beständig hoch zu halten. Die Resultate dieser aktiven Politik kann man im Stadtkern betrachten. Die Museumserweiterung, die Jugendmusikschule im ehemaligen Stadtbad, die neue Stadtbibliothek und als letzter Baustein die Neue Mitte unterstreichen Ulms kulturellen und städtebaulichen Anspruch.

Programmatisch setzte er zunächst den Schwerpunkt auf Forschung und Bildung. Die Stärkung der Wissenschaftsstadt, die Förderung moderner Technologie und die Ulmer Bildungsoffensive sollten sowohl die Stadt selbst als auch die junge Generation wettbewerbsfähig halten. In einer sich immer schneller verändernden Welt sollte Ulm seine Zukunft aktiv gestalten, Wandel nicht als Bedrohung, sondern als Chance begreifen.

Gewandelt hatte sich in der zweiten Hälfte seiner 24-jährigen Amtszeit auch die Zusammensetzung der Bevölkerung - Ulm ist internationaler geworden und Gönner griff dieses Thema mit der politischen Initiative "Ulm - Internationale Stadt" auf. Auch weitere wichtige Infrastrukturprojekte wie der Bau des neuen Stadtquartiers Sedelhöfe und vor allem der Bau der zweiten Straßenbahnstrecke "Linie 2" wurden auf den Weg gebracht.

Die Stadt Ulm steht am Ende der Ära Ivo Gönner gut da. Finanziell, strukturell und gesellschaftlich. Was also war das Geheimnis Gönner? Der Begriff "Menschenfänger" machte die Runde - natürlich im positiven Sinn gemeint. Gönner selbst verpackt die Gründe für seinen politischen Erfolg und seine außerordentlichen Beliebtheit einmal mehr in einfache, verständliche Worte: "Man muss die Menschen mögen. Und man muss mit ihnen reden - offen aber vor allen Dingen immer ehrlich".

Wie geht es weiter mit "seinem" Ulm? Eine Prognose wagen will er nicht, sonst hätte er "den Beruf des Propheten ergriffen". Gerüstet für die Zukunft sieht er Ulm jedoch auf alle Fälle: "Ulm hat in seiner langen Geschichte eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit bewiesen. Manchmal dauern Prozesse in Ulm etwas länger. Wenn die Ulmerinnen und Ulmer aber einmal in Fahrt gekommen sind, hält sie auch nichts mehr auf. Und im Zweifel gilt immer: Wenn alle Stricke reißen, machen wir die Sachen selbst. Wie das Ulmer Münster beispielsweise. Oder andere Dinge, die noch in der Zukunft liegen."